27. Erfolgsgeschichte: Marco – Wie ein vermeidender Mann lernte, Nähe zuzulassen

Einleitung

In meinem Buch Ich brauche dich – aber bitte nicht zu nah erzähle ich nicht nur, was der vermeidende Bindungsstil bedeutet – ich mache ihn greifbar. Denn hinter jedem psychologischen Begriff stehen echte Menschen. Menschen mit echter Geschichte, mit innerem Schmerz, mit Sehnsucht nach Verbindung – und mit einem tief verankerten Schutzmechanismus, der genau diese Verbindung verhindert.

Viele von uns kennen diese innere Zerrissenheit: Einerseits der Wunsch nach Nähe, nach Intimität, nach Liebe. Andererseits die überwältigende Angst davor, sich dabei selbst zu verlieren. Es ist ein Spannungsfeld, das Beziehungen zerstören kann, bevor sie überhaupt richtig beginnen. Und es ist ein Muster, das nicht selten tief in der eigenen Biografie verwurzelt ist.

In meinem Buch gebe ich diesen Dynamiken ein Gesicht – eines davon ist Marco. Seine Geschichte ist kein theoretisches Fallbeispiel, sondern ein sehr persönlicher, ehrlicher Einblick in das Leben eines Mannes, der mit einem stark ausgeprägten vermeidenden Bindungsstil durchs Leben ging. Ein Mann, der gelernt hatte, unabhängig zu sein. Stark zu sein. Unberührbar zu sein. Und der doch irgendwann an genau dieser selbst errichteten Mauer zerbrach.

Marco steht exemplarisch für viele Menschen, die sich nach Nähe sehnen – und sie gleichzeitig nicht ertragen. Seine Geschichte beginnt dort, wo viele enden: Nach einer zerbrochenen Beziehung, nach Rückzug, Flucht und emotionalem Stillstand. Doch sie endet nicht in Resignation – sondern in einem leisen, mutigen Erwachen.

Was Marco erlebt hat, erleben viele – nur sprechen die wenigsten offen darüber. Deshalb ist seine Geschichte so wertvoll: Sie zeigt, dass Veränderung möglich ist. Dass selbst tief verankerte Muster verstanden, gefühlt und durchbrochen werden können. Und dass es sich lohnt, sich den eigenen inneren Ängsten zu stellen – auch wenn es unbequem ist.

In diesem Blogartikel nehme ich dich mit auf Marcos Reise: von emotionaler Distanz zur ersten echten Verbindung, von Selbstschutz zu Selbstreflexion, von Vermeidung zu Vertrauen. Es ist die Geschichte eines Mannes, der sich – und dadurch anderen – beweist: Du kannst dich verändern. Du kannst lieben. Du darfst bleiben.

Phase 1: Der kontrollierte Rückzug – Wie alles begann

Marco beschreibt sich rückblickend als „emotionaler Einzelkämpfer“. Nähe bedeutete für ihn immer auch Verlust von Kontrolle – eine Bedrohung, die er unbewusst vermeiden wollte. In Beziehungen war er charmant, aufmerksam und anfangs sehr engagiert. Doch je intensiver die Verbindung wurde, desto mehr stellte sich ein innerer Druck ein. Er fühlte sich „eingesperrt“, „erdrückt“ – obwohl sein Gegenüber nichts tat, außer sich ehrlich zu öffnen.

Mit seiner damaligen Partnerin, die ihn tief bewegte, begann dasselbe Muster:
Zunächst war alles leicht. Doch sobald sie verbindlich wurde – gemeinsame Zukunftspläne, emotionale Gespräche, das Bedürfnis nach Nähe – aktivierte sich in Marco ein inneres Alarmsystem. Er zog sich zurück, wurde still, zweifelnd, gereizt.

Ich habe immer gesagt, ich bin einfach nicht der Beziehungstyp. Heute weiß ich, das war eine Schutzbehauptung.“

Phase 2: Der innere Zusammenbruch – Nähe trifft auf Trauma

Als die Beziehung zerbrach, fühlte Marco zunächst: Erleichterung. Kein Druck mehr. Kein Reden über Gefühle. Kein emotionales Engagement. Und doch war da ein Echo: das leise, nagende Gefühl, etwas Kostbares verloren zu haben.

Wo früher Verdrängung funktionierte, trat nun zum ersten Mal eine ungewohnte Leere auf. Marco begann zu trinken, suchte Ablenkung, versuchte mit Dating-Apps, sich zu bestätigen. Doch das, was ihm früher Selbstsicherheit gegeben hatte – Unabhängigkeit – wurde jetzt zu einem Gefängnis.

Ich war frei, aber ich fühlte mich leer. Es war, als hätte ich mich selbst verlassen.“

In dieser Phase begann Marco zu hinterfragen. Warum wiederholt sich dieses Muster? Warum kann ich lieben – aber Nähe nicht aushalten? Warum zerstöre ich das, was ich mir eigentlich wünsche?

Phase 3: Der Wendepunkt – Schmerz als Katalysator

Der Wendepunkt kam in Form eines emotionalen Zusammenbruchs – ausgelöst durch eine zufällige Begegnung mit seiner Ex. Ihr Anblick traf ihn härter, als er es je erwartet hätte. Zum ersten Mal spürte er die volle Wucht des Verlustes. Ohne Betäubung. Ohne Ausrede. Ohne Ablenkung.

In der Folge begann Marco, sich zu öffnen – zunächst zögerlich, dann mit wachsender Ehrlichkeit. Er las über Bindungsangst, fand sich in Fallbeispielen wieder, suchte therapeutische Unterstützung. Und vor allem: Er begann, sich seinen frühkindlichen Wunden zu stellen.

Ich musste erkennen, dass ich nie gelernt habe, dass Nähe sicher ist. Ich habe gelernt, dass man verletzt wird, wenn man sich zeigt.
Und dieses Muster hat mein Leben bestimmt
.“

Phase 4: Die Arbeit mit sich selbst – Vom Vermeiden zum Verstehen

Marco tauchte tief ein in die Selbstreflexion. In der Therapie und in seinen eigenen Aufzeichnungen begann er, seine Vergangenheit zu verstehen: Eine Kindheit mit emotional distanzierter Mutter, einem fordernden Vater, nie wirklich gesehen zu werden – und doch zu funktionieren. Daraus entwickelte er den Glaubenssatz: „Ich bin nur dann wertvoll, wenn ich stark und unabhängig bin.“

In kleinen Schritten lernte Marco:

  • Emotionen zu benennen – und nicht sofort zu bewerten.

  • Nähe zuzulassen – ohne sie als Gefahr zu erleben.

  • Bedürfnisse zu äußern – ohne sich dafür zu schämen.

  • Grenzen zu setzen – ohne sich schuldig zu fühlen.

Es war kein linearer Weg. Rückfälle, Angst, Zweifel begleiteten ihn. Doch mit jeder Erkenntnis fiel eine innere Mauer.

Ich musste lernen, dass meine Angst kein Feind ist, sondern ein Hinweis auf einen alten Schmerz.“

Phase 5: Erste echte Verbindung – Nähe auf Augenhöhe

Nach vielen Monaten traf Marco eine Frau, die er mochte – und diesmal lief es anders. Nicht perfekt. Aber bewusst. Er kommunizierte, wenn er Raum brauchte. Er zog sich nicht mehr wortlos zurück. Er gestand seine Angst – und wurde gehalten, nicht verlassen.

Zum ersten Mal erlebte Marco, wie heilsam es ist, wenn man in seiner Verletzlichkeit gesehen wird – und trotzdem bleibt jemand.

Ich dachte immer, wenn ich mich zeige, werde ich verlassen. Heute weiß ich: Nur wenn ich mich zeige, kann echte Nähe entstehen.“

Fazit: Marcos Weg – vom Rückzug zur echten Beziehung

Die Geschichte von Marco ist keine romantisierte Heilungserzählung. Sie ist ein realistischer, mutiger Prozess eines Mannes, der gelernt hat, dass Stärke nicht in Unnahbarkeit liegt – sondern in der Bereitschaft, sich berühren zu lassen.

Marcos Entwicklung zeigt: Ein vermeidender Bindungsstil ist kein Schicksal. Er ist ein Schutzpanzer – ein überlebenswichtiger Mechanismus aus der Vergangenheit. Doch er muss nicht das Heute bestimmen. Wenn der Schmerz groß genug ist, wird er zum Antrieb für echte Veränderung.

💬 Was du aus Marcos Geschichte lernen kannst:

  • Bindungsangst ist heilbar, wenn du bereit bist, ehrlich hinzusehen.

  • Nähe muss nicht erdrücken – sie kann heilsam sein, wenn man lernt, sich selbst zu regulieren.

  • Deine Vergangenheit erklärt dein Verhalten, aber sie bestimmt nicht deine Zukunft.

  • Du bist nicht falsch. Du bist geprägt. Und du darfst neu entscheiden.

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