Warum gehen Vermeider häufiger fremd? Hintergründe, Muster und Auswirkungen!
Hast du dich schon einmal gefragt, warum gerade du als Mensch mit einem vermeidenden Bindungsstil fremdgehst? Du lebst nach dem Prinzip der Unabhängigkeit, hältst emotionale Nähe auf Abstand – und trotzdem passiert es. In diesem Beitrag schauen wir uns aus deiner Perspektive an, warum Vermeider eher zu Affären neigen, welche inneren Konflikte dahinterstecken und was dabei mit deinem Partner passiert. Es geht nicht um Schuldzuweisung, sondern um Verstehen: Welche Ängste und Selbstschutzmechanismen wirken bei dir und wie prägen sie deine Beziehung?
Was bedeutet vermeidender Bindungsstil?
Zuerst klären wir, was ein vermeidender Bindungsstil ist. Er gehört zu den „unsicheren“ Bindungsstilen und zeigt sich darin, dass du Nähe oft unangenehm findest. Menschen mit hoher Vermeidung fühlen sich in intimen Situationen schnell eingeengt und neigen dazu, sich vom Partner zu distanzieren. Nähe wirkt auf dich manchmal wie ein Angriff auf deine Individualität.
Du brauchst das Gefühl, alles unter Kontrolle zu haben, musst nicht dauerhaft an jemand anderen geknüpft sein. Gleichzeitig leidest du darunter, tiefere Verbindungen wirklich zuzulassen.
Bindungstheorie-Forscherinnen weisen darauf hin, dass diese Muster oft in frühen Kindheitserfahrungen wurzeln. Wenn Eltern oder Bezugspersonen in deiner Kindheit unzuverlässig waren, kann das Urvertrauen fehlen. Du hast gelernt: Von anderen erwarten kann man nur wenig. Dieses frühe Misstrauen kann sich als Nähe-Angst äußern: Je mehr dir jemand emotional nahe kommt, desto größer wird dein Gefühl der Bedrohung. Vielleicht merkst du, dass du dich innerlich zusammenziehst, wenn dein Partner versucht, dir Liebe zu zeigen. Du fühlst instinktiv, wie deine Autonomie in Gefahr gerät. Dein Schutzmechanismus: Du distanzierst dich, noch bevor Verletzungen passieren können.
Innere Konflikte: Nähe vs. Autonomie
Deine innere Welt ist ein ständiges Dilemma zwischen Nähe-Bedürfnis und Freiheitsdrang. Einerseits möchtest du Verbindung spüren, andererseits macht dir emotionale Intimität Angst.
Dieses Spannungsfeld prägt dein Denken und Fühlen. Vermeider scheinen nach außen oft souverän und unabhängig – aber gerade unter der Oberfläche läuft ein Konflikt ab.
Zu viel Nähe löst bei dir Panik aus; gleichzeitig kannst du dich einsam fühlen, weil echte Bindung fehlt. Ruth Westebbe-Pape, eine erfahrene Paartherapeutin, beschreibt es so:
„Der bindungsängstliche Mensch empfindet zu viel Nähe als Bedrohung der eigenen Autonomie und zieht sich immer mehr zurück, je mehr Nähe der andere sucht“.
Auch wenn hier „Bindungsängstliche“ steht, passt der Satz wunderbar zu deinem Typ: Nähe wird zum Warnsignal, das deinen Selbstschutz aktiviert.
Diese Selbstschutzmechanismen treten oft unbewusst in Kraft. Denkst du einmal an frühere Konflikte in Beziehungen zurück? Vielleicht hast du damals schon gespürt: „Sobald es zu eng wird, springe ich auf Distanz.“ Jeder Streit, jedes Bekenntnis vom Partner an dich reiht sich in alte Muster ein. Anstatt sich damit zu konfrontieren, drehst du den Spieß um – du schickst dich selbst aus der Beziehung heraus, bevor du das Gefühl hast, erdrückt zu werden.
Denk- und Verhaltensmuster, die Fremdgehen begünstigen
Warum endet das bei vielen Vermeidern häufig in einem Seitensprung? Es liegen mehrere Verhaltens- und Denkweisen vor, die Untreue begünstigen:
Flucht vor Nähe. Du neigst dazu, dich zurückzuziehen, sobald deine Partnerin dir zu nahe kommt. Statt offen über Probleme zu sprechen oder Ängste zu teilen, vermeidest du das Thema ganz. In besonders angespannten Momenten kann es geschehen, dass du diesem Vermeidungsimpuls folgst – und wo gibt es bessere Fluchtoptionen als in einen Flirt oder einen
One-Night-Stand? Eine Studie zeigte beispielsweise, dass Personen mit ausgeprägtem gleichgültig-vermeidendem Bindungsstil am häufigsten fremdgegangen sind.
Das war in zwei Stichproben so: Mehr als die Hälfte berichtete von mindestens einem Seitensprung innerhalb von zwei Jahren. Als Hauptmotivation nannten sie,
sich mehr Raum und Freiheit zu schaffen.
Anders gesagt: Du fühlst dich schnell eingeengt, und das Fremdgehen liefert dir das ersehnte Gefühl von Abstand.Geringes Commitment. Vermeider investieren im Durchschnitt weniger in ihre Beziehung. Das heißt: Dein innerer Haken im Verhältnis ist locker – im Gegensatz zu sicher Gebundenen,
die ihr Engagement hochschrauben, wenn es schwierig wird. Forschungen belegen: Ein hoher Vermeidungsanteil in der Bindung steht signifikant im Zusammenhang mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit von Untreue. Außerdem fanden DeWall et al. (2011), dass ein hoher Vermeidungswert deine Bindung an die Partnerschaft direkt schwächt – er verringert dein Commitment. Und ein geringes Commitment führt erfahrungsgemäß zu mehr fremden Berührungen. Mit anderen Worten: Je weniger die Beziehung für dich zur obersten Priorität wird,
desto eher schielst du nach Alternativen. Du bist eher geneigt, ein Auge zuzukneifen: „Ich habe ja nicht wirklich ganz zugesagt, ich kann niemanden richtig verletzen.“Körper statt Gefühl. Häufig trennen Vermeidende Sex und emotionale Nähe. Vielleicht sagst du dir unbewusst: „Ich brauche kein Gefühlschaos, Hauptsache sexueller Kick.“ Studien und Psychologiezeitschriften schreiben, dass dir tiefgehende emotionale Intimität schnell unangenehm ist – sodass sexuelle Begegnungen außerhalb der Beziehung für dich weniger tabu erscheinen. Ein einfacher Flirt oder ein sexuelles Abenteuer bringt dir kurze Erregung und Zerstreuung, ohne dass du dich dabei wirklich einlassen musst. Genau das kann es sein: Wenn dein Partner streitlustig oder anhänglich wird, bist du plötzlich offen für jemand anderen, der dir erlaubt, distanziert zu bleiben. Eine Expertin nennt das sogar eine emotionale Strategie, um Bindungsangst zu mildern: Sich in sexuelle Flirts zu flüchten, um Abstand zu deinem festen Partner zu gewinnen.
Deaktivierungsstrategien. Unter Druck greifen Vermeider zu bestimmten Mustern: Sie ziehen sich zurück (emotionaler Rückzug), beschäftigen sich exzessiv mit Arbeit oder Hobbies, verneinen das Problem oder verdrängen eigene Wünsche. Das Alles dient dazu, unangenehme Gefühle klein zu halten. Wenn dieser Modus aktiviert ist, könntest du plötzlich anfällig werden für die Idee: „Einmal fremdzugehen rettet mich vor meinen Gefühlen.“ Tatsächlich beschreiben manche Vermeidende, dass sie sich nach einer Affäre nicht näher mit der Beziehung beschäftigen müssen – ein tiefer Selbstschutzmechanismus, um Kontinuität zu bewahren.
Zusammengefasst: Studien und Expertenbeiträge bestätigen, dass unsichere Bindungsstile – insbesondere Vermeidung – einen Hang zu Untreue fördern.
Immer wieder zeigen Untersuchungen, dass sicher Gebundene seltener fremdgehen, während unsicher Gebundene (zu denen auch du gehörst) häufiger untreu sind.
Ein Grund ist, dass du Freiheit und Distanz höher bewertest als emotionale Nähe – was die Bereitschaft für Seitensprünge erhöht.
Wie dein Partner darunter leidet
Natürlich hat dein Verhalten auch dramatische Folgen für deinen Partner. Denkt daran: Für ihn oder sie ist Untreue ein Vertrauensbruch und eine Existenzkrise. Die betrogene Person fühlt sich abgelehnt, wertlos und zutiefst verletzt. Oft führt es zu Angstzuständen, Selbstzweifeln und Trauer. Deine Partnerin könnte sich fragen: „Warum reiche ich ihm/ihr nicht? Liegt es an mir?“ – während du innerlich vielleicht in deinem Kopfkino gar nicht bei diesen Fragen bist. Psychologisch betrachtet kann der/ die Betrogene unter Symptomen wie Verlustängsten, Depression oder sogar posttraumatischem Stress leiden (häufiger als man glaubt).
Diese Verletzung wirkt sich auf die Dynamik in der Beziehung aus: Der/die Partner*in zieht sich entweder in klammerndes Verhalten zurück (aus Angst, dich ganz zu verlieren) oder reagiert wütend und konfrontativ (um dich wieder zu spüren). Eure Nähe-Distanz-Dynamik kann sich eskalierend umdrehen: Dein Rückzug löst bei ihm/ihr die Panik aus, und das wiederum lässt dich noch weiter flüchten. So entsteht ein Teufelskreis aus Misstrauen und Rückzug. Es ist wichtig zu verstehen: Selbst wenn du das Fremdgehen als harmlose Episode ansiehst, erlebt der/die andere es als Trauma.
Ambivalenz und Gefühle nach dem Fremdgehen
Was fühlst du, nachdem du fremdgegangen bist? Bei Vermeidern gibt es oft widersprüchliche Reaktionen. Manche verspüren gar keine große Reue – das Gesehene und Erlebte fühlt sich an, als hätte es nichts mit den wichtigen Teilen deines Herzens zu tun. Vielleicht denkst du: „Es war einfach nur Sex, das heißt doch gar nichts. Warum sollte ich Schuldgefühle haben?“ – und ziehst dich dann zurück, als wäre nichts passiert. Andere Vermeidende erleben erstaunlich komplexe Gefühle: Kurz nach der Affäre kommt eine Art Leere oder Erschütterung. Plötzlich sind da diese leisen Zweifel: Habe ich wirklich nur mein Freiheitsbedürfnis gestillt, oder habe ich dabei etwas Wichtigeres verloren? In seltenen Fällen kann ein Gewissenskonflikt aufflammen: Vielleicht fühlst du Schuld, die du sonst unterdrückst, weil du ja weißt, wie weh dieser Verrat tun kann. Du bist vielleicht auch überrascht von deiner eigenen Brutalität: „Ich wollte doch nicht, dass er/sie leidet, und nun hat gerade das Heilung gebraucht.“
Viele Vermeidende winden sich innerlich in dieser Zwickmühle: Einerseits bestärkt dich die unerwartete „Flucht“ in deinem Glauben an Unabhängigkeit – du erlebst dich als frei, lustvoll, einfach du selbst. Andererseits kreist im Hintergrund immer die Frage: Was passiert, wenn er/sie es herausfindet? Bin ich dann plötzlich der Feind? Dieses Hin- und Her kann sich sehr verwirrend anfühlen. In jedem Fall zeigt sich: Die Entscheidung, fremdzugehen, kann nicht durch ein simpel nachvollziehbares Motiv erklärt werden. Es ist vielmehr ein Symptom deines inneren Konflikts – das Bedürfnis nach Autonomie einerseits und nach Bindung andererseits.
Beispiele aus dem Leben eines Vermeiders
Stell dir vor, du bist auf einer Party mit deinem Partner. Er oder sie tanzt eng mit dir, wird zunehmend gefühlsbetonter. Du spürst, wie dein Herz schneller schlägt – aber aus Angst statt aus Liebe. Dein Blick schweift durch den Raum und bleibt an einer Person hängen, die dich schon lange kennt. Ihr beginnt zu reden; dieses Gespräch fühlt sich leicht und unbeschwert an. Ihr tauscht Wörter aus, die du noch nie mit deinem Partner geteilt hast. Irgendwann stehst du dort allein mit dieser Person am Ausgang, die Nacht wird intensiv. Am nächsten Morgen wachst du neben deinem Partner auf – und wunderst dich selbst, warum du überhaupt gegangen bist.
Oder nimm das Szenario: Ihr habt einen anstrengenden Alltag. Dein Partner kritisiert dich beim Abendessen. Ihm/ihr sind Nähe und Kommunikation wichtig, dir erscheint das Gespräch immer anstrengender. Kurze Zeit später triffst du zufällig jemanden bei der Arbeit. Diese Person fragt genau nach deinem Tag, hört dir ohne Gegenargumente zu. Ihr trefft euch immer wieder zum Kaffee – und ohne dass du es so recht merkst, wird daraus mehr. Hier konntest du deine müde Seele anlehnen, ohne Verpflichtung, ohne das Gefühl von Einengung. Für dich ist es zunächst ein Zufall, eine Ablenkung im grauen Alltag. Dein Partner sieht darin später eine tiefe Wunde.
Ein letztes Beispiel: Vielleicht hast du dir fest vorgenommen, treu zu bleiben. Doch an dem Tag, als du am wenigsten damit gerechnet hast, geschieht es doch. In einer finanziellen oder gesundheitlichen Krise spürst du, wie deine Partnerin ungeduldig reagiert. Du fühlst dich alleine mit deinen Ängsten. Dann lernst du in einer verzweifelten Stunde jemanden kennen, der dir Verständnis entgegenbringt, der sich nicht an dir festhält. Ein Knopfdruck später ist es passiert. Wochen später sitzt du da und fragst dich: Warum habe ich das getan? Keine einfache Antwort lässt sich finden.
Diese Szenarien sollen dir zeigen: Vermeider neigen dazu, in Stress- oder Konfliktsituationen automatisch eine Ausweichstrategie zu nutzen – selbst wenn es bedeutet, neue Nähe aufzubauen. Für dich fühlte es sich manchmal wie eine Rettung an, für deinen Partner war es ein Schock.
Fazit: Was du daraus lernen kannst
Untreue bei einem vermeidenden Bindungsstil folgt tief sitzenden psychologischen Mustern. Aus Sicht der Forschung zeigt sich überdeutlich: Sichere Partner gehen seltener fremd, unsichere (vor allem vermeidende) häufiger. Wenn du dich also in diesen Beschreibungen wiedererkannt hast, liegt das nicht an deinem Charakter allein, sondern an deinem Bindungsstil und deinen frühen Erfahrungen. Es ist keine Ausrede, aber eine Erklärung.
Wichtig ist nun: An einem gesunden Umgang damit zu arbeiten. Mache dir bewusst, was genau deine Ängste sind. Frage dich: Wo in meiner Beziehung fühle ich mich eingeengt, und warum? Lerne, diese Ängste zu benennen, statt sie durch Fremdgehen „zu lösen“. Kommunikation kann ein Schlüssel sein – suche das Gespräch mit deinem Partner bevor die Situation eskaliert. Zeige auch mal absichtlich Nähe, ohne sofort in Fluchtreflex zu verfallen; sprich klar über deinen Freiraum-Bedarf.
Gerade bei akuter Bindungsangst kann professionelle Hilfe sinnvoll sein. Paar- oder Einzeltherapie kann euch beide unterstützen, die Nähe-Distanz-Dynamik besser zu verstehen. Studien legen nahe, dass therapeutische Ansätze, die den individuellen Bindungsstil berücksichtigen, besonders effektiv sind. Dort könnt ihr lernen, vertrauensvolle Nähe aufzubauen und selbstschutzende Muster zu durchbrechen.
Denn egal, ob sicher gebunden oder vermeidend: Untreue ist oft ein Hilferuf des unbewussten Teils in uns. Sie bedeutet, dass in der bestehenden Beziehung etwas fehlt oder schmerzt. Wenn du beginnst zu sehen, welche Ängste und Bedürfnisse hinter deinem Handeln stehen, kannst du neue Wege finden. Wege, Nähe zuzulassen, ohne dich zu verlieren – und die Freiheit zu genießen, ohne zu fliehen.
Quellen: Wissenschaftliche Untersuchungen und Artikel zu Bindungsstil und Untreue wurden für diesen Beitrag herangezogen
de.in-mind.org
elle.de
pmc.ncbi.nlm.nih.govpmc.ncbi.nlm.nih.govde.
wunderweib.de